Laudatio von Bürgermeister Manfred Bosselmann für Frau Angelika Ende anläßlich der Ernennung zur Ehrenbürgerin am 14.04.2018.
Auf unserer jüngsten Gemeindevertretersitzung haben wir einstimmig den Beschluss gefasst, Frau Angelika Ende zur Ehrenbürgerin unserer Gemeinde Wittenförden zu ernennen.
Der feierliche Akt der Überreichung der Ehrenurkunde sollte dann einen würdigen Rahmen erhalten. Aus diesem Grunde haben wir hierfür die heutige Einwohnerversammlung gewählt. Wir wollen heute die besonderen Verdienste von Frau Ende für unsere Gemeinde würdigen, die sie vor allem im zurückliegenden Jahrzehnt als ehrenamtliche Ortschronistin erworben hat.
Aber wer ist Frau Angelika Ende?
Alle, die in den letzten 33 Jahren in unsere Schule gegangen sind, oder deren Kinder unsere Schule besucht haben, kennen sie als unsere Schulsekretärin.
Gestatten Sie mir den Versuch einer kurzen Biografie.
Frau Ende wurde im Jahre 1955 im thüringischen Kölleda geboren. Kölleda ist eine Kleinstadt nahe bei Weimar und Erfurt. Nach dem Abschluss der 10. Klasse absolvierte sie die Berufsausbildung zur Wirtschaftskauffrau. Anschließend, von 1973 bis 1985 arbeitete sie in ihrem Beruf als Baukauffrau im Wohnungswesen, arbeitete an der Erdgastrasse und heiratete im Jahre 1981 ihren Ehemann Karl-Helmut ENDE. Im Jahre 1982 zog die junge Frau von Thüringen nach Schwerin. Anschließend zog die kleine Familie gleich weiter nach Wittenförden. Hier wurden die Kinder Mario und Kathrin geboren. Schließlich, am 12.08.1985, begann sie ihre Tätigkeit als Schulsekretärin an unserer damaligen 10-klassigen POS „Grete Walter“. Nach der Wende begann sie sich zunächst intensiv mit der Familienforschung und deren Aufarbeitung am Computer zu beschäftigen.
Wir können die Leistungen von Frau Ende nicht losgelöst von den Vorarbeiten unserer bisher einzigen Ehrenbürgerin betrachten.
Ab 1992 begann Frau Nemitz damit, die Archive zu durchforschen und alles was Wittenförden betraf zu notieren und zu kopieren. Aus diesen Recherchen entstand unter anderem im Jahre 1995 das Buch „Ein Dörp in uns Heimat stellt sick vör“. Im Jahr darauf begann die fruchtbringende Zusammenarbeit zwischen Frau Nemitz und Frau Ende, die anfangs der Erstellung der Nachwendechroniken galt. So entstanden
1999 die Chronik über die FFW, 2003 die Schulchronik, 2006 die Kirchenchronik und die Abhandlung „Vom Dorfschulzen zum Bürgermeister“
Seit der tragischen Erkrankung von Frau Nemitz im Jahre 2007 führt Frau Ende die Arbeiten alleine fort. So entstanden die Jahreschroniken über die Ereignisse in Wittenförden und die Ausstellung „Häuser und ihre Geschichte(n)“, die wir anlässlich der 800 Jahrfeier zu sehen bekamen. Der Ausstellung vorausgegangen war die vorerst vage Idee, nicht wie sonst gewohnt, eine Chronik der geschichtlichen Zeitabläufe zu schaffen, sondern eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu bringen, und damit ein transparentes Dorfbild zu zeichnen, das man auch heute noch anhand der vorhandenen Gebäude nachvollziehen kann. Die einstmaligen Bewohner wurden anhand der Kirchenbucheinträge genealogisch aufgearbeitet und ihre Namen akribisch mit den Gebäuden verknüpft. Dabei entstand auch ein plastisches Bild der sozialen und ökonomischen Gegebenheiten im historischen Kontext mit den geschichtlichen Abläufen.
Diese Zusammenstellung bedurfte nun aber auch eines ansprechenden Layouts, das Frau Ende ebenfalls selbst erstellen konnte. Wie auch die von ihr unmittelbar nach unserem großen Jubiläum herausgebrachte Festschrift zur 800-Jahrfeier, die ein gewaltiges Echo fand.
Und nicht zu vergessen, die Tafeln zu Otto Steinfatts Leben und Wirken, die gerade erst in diesem Jahr in unserer Grundschule einen würdigen Platz gefunden haben. Übrigens, die Idee, unsere Grundschule nach Dr. Otto Steinfatt zu benennen, stammte auch von ihr.
In diesen Arbeiten steckt unendlich viel Recherchearbeit und kriminalistischer Spürsinn. Nun drängt sich sicherlich die Frage auf, wie eine Laiin diese anspruchsvolle Arbeit bewältigen kann. Nur Fleiß allein reicht dafür wohl nicht aus. Hier hilft eine Einschätzung dem Verständnis, die mir Dozent Dr. Seidl von der Uni Wien geschrieben hat und mit dem Frau Ende schon seit 10 Jahren zusammenarbeitet und forscht.
Auszug:
„Frau ENDE hat im Selbststudium ihr Interesse an historischen, vor allem genealogischen Problemstellungen und Forschungen auf eine solide Grundlage gestellt. Nicht wenige Kenntnisse waren erforderlich: Zum einen das Erlernen der deutschen Kurrentschrift, zum zweiten die intensive Auseinandersetzung mit diversen genealogischen Computerprogrammen, die ein hohes Maß an Spezialisierung erfordern.
Bereits 2007 hat Frau Ende ein viel beachtetes Werk über die im 19. Jahrhundert aus dem thüringischen Kölleda nach Wien gezogene Künstlerfamilie REIFFENSTEIN verfasst. Von 2009 bis 2013 arbeitete sie gemeinsam mit Johannes Seidl über den berühmten Hamburger Mediziner und Geologen Ami BOUÉ. Hier verfasste Frau Ende eine 130 Seiten starke Abhandlung über die weit verzweigte Verwandtschaft des Naturforschers, wobei Archive in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich konsultiert werden mussten. Durch Frau Endes ebenso emsiges wie wissenschaftlich korrektes Studium liegt nun erstmals ein Beziehungsnetz BOUÉS vor, das für weitere Studien eine wohl fundierte Grundlage bietet.
In den Jahren 2013 bis 2015 beforschen Frau Ende und Johannes Seidl gemeinsam mit dem Kirchenhistoriker Johann Weißensteiner das Domkapitel zu Sankt Stephan in Wien in mittelalterlicher Zeit. Auch hierbei hat die Forscherin durch gekonnte Recherchearbeiten zum Gelingen dieses publizistischen Vorhabens bedeutend beigetragen.
Generell ist Angelika Endes wissenschaftliches Wirken von einer großen Bandbreite. Ihre Arbeiten reichen von orts- und regionalgeschichtlichen Studien bis zu breit angelegten Darstellungen, die auch in der historischen Fachwelt große Beachtung finden.“
Ja, da muss uns ein österreichischer Universitätsdozent erst erzählen, welchen Schatz wir in Wittenförden unser Eigen nennen.
Liebe Frau Ende, durch Ihr ehrenamtliches Engagement haben Sie einen wichtigen Beitrag für unsere Gemeinde insgesamt und für die Identifikation und die Heimatverbundenheit der Alteingesessenen wie auch unserer zahlreichen Neubürgerinnen und Neubürger geleistet. Ihr ehrenamtlicher Einsatz macht sich nicht in Euro und Cent bezahlt. Für Sie persönlich ist eher das Gegenteil der Fall!
Gleichwohl wird auch die freiwillige Leistung für die Gesellschaft belohnt: Indem man dabei die eigenen Kenntnisse und Erfahrungen erweitert und indem man an der Arbeit Erfüllung findet und dafür Anerkennung erfährt: Das Ehrenamt hat in unserer Gesellschaft eine Bedeutung, die wir gar nicht genug würdigen können. Deshalb brauchen wir Bürgerinnen und Bürger, die sich als verantwortlicher Teil der Gesellschaft verstehen, die mitreden, mithelfen und mitgestalten wollen.
Liebe Frau Ende, für Ihr langjähriges Engagement darf ich Ihnen heute die Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Wittenförden übertragen und Ihnen diese Ehrenurkunde überreichen.
Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich!
Manfred Bosselmann
Bürgermeister